Rede von Ingrid Grischtschenko zu TOP 3 Regionalversammlung 26. März 2014

20 Jahre Region Stuttgart - Perspektiven

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, meine Damen und Herren,


das realistische Bild der Gegenwart, das die Vorredner gezeichnet haben, kann ich in großen Teilen bestätigen und möchte es durch einen grünen Ausblick ergänzen und vervollständigen.

Das Ziel, einen regionalen Verkehrsraum zu formen bleibt bestehen, weil der Alltag der Menschen in der Region heute schon regional ist. Im Verkehrsbereich war es ja so, dass es den Verkehrsverbund (VVS) schon gab, als die Region gegründet wurde. Damit aber mit einem Fahrschein vom Bus auf die Bahnen umgestiegen werden konnte, dazu brauchte es den Verband Region Stuttgart. Das Bezahlen dieser zweiten Verbundstufe, der Busintegration, wurde der neu gegründeten Region übertragen und sie macht dies bis heute.
Als Körperschaft kooperiert die Region heute sowohl mit anderen Körperschaften, als auch auf der Zweckverbands-ebene mit anderen Verkehrsverbünden – denken wir nur an das Metropolticket. Hier geht die Region voran und die Kooperation nach außen ist ihr genauso wichtig, wie die nach innen, wie wir jetzt beim ÖPNV Pakt erfahren haben.
Die Menschen in der Region nutzen alle Verkehrsmittel. Wir wollen sie ökologisch miteinander verknüpfen. Das Auto gehört dazu, es muss nur nicht immer das eigene sein.
Gerade die Automobilregion Stuttgart kann aufzeigen wie die Reduktion der Abgase geht und wie der Weg geht zur umweltverträglichen Mobilitätsregion.

Das zweite Ziel, die Region als Raum zu begreifen, in dem geschafft und gelebt wird, bleibt ebenfalls bestehen.
Im planerischen Bereich ging die Region immer voran und ist bis heute unangefochten an der Spitze des Flächensparens – auch im Vergleich zum Land!
Die Innenentwicklung zu forcieren, statt Siedlungen  ausfransen zu lassen ist ein alter regionaler Grundsatz. Die Regionalplanung ist die ordnende Hand über die linienhafte Zerschneidung des Raumes und über die punktuelle Perforierung der Landschaft.

Die Kommunen brauchen diese Klammer, in der sie als selbständige und selbst verwaltete Einheiten stehen – aber ÖPNV, Flächensparen, Infrastruktur, manchmal sogar Kulturthemen stehen vor dieser Klammer! Daraus ergibt sich der regionale Mehrwert.
Für die gesamte Region einen Sozialbericht zu erstellen, bleibt grünes Ziel und dabei sollten uns auch die Landkreise unterstützen. Auch dieses Thema muss regional betrachtet und bewertet werden und darf nicht länger in sechs Teilräume zerfallen. 

Das dritte Ziel, die Region Stuttgart weiter zum Vorbild zu machen, bleibt auch. Die Direktwahl der Regionalversammlung unterscheidet uns von allen anderen Regionen. Sie zwingt uns alle vor der Wahl zu formulieren, was wir mit der Region vorhaben. Bei einer Regionalkonferenz der bayerischen Grünen dieses Jahr in Erding schilderte Prof. Knieling von der Hafencity-Universität Hamburg: Es wird nach Stuttgart geschaut. Was tut sich da, was entsteht da, wie wirkt das in die Gesellschaft? Die Fragen waren: Wie macht ihr aus AutofahrerInnen Fahrgäste der öffentlichen Verkehrs-mittel, wie haltet ihr den großflächigen Einzelhandel in Schach, wie findet ihr Standorte für Windräder?

Die Region Stuttgart stößt in jedem anderen Ballungsraum auf großes Interesse. Eine direktgewählte regionale Ebene wird als Chance angesehen, intransparente Zweckverbände darin aufgehen zu lassen. Der Hochwasserschutz ist eigentlich ein regionales Geschäft, auch ein Lkw-Lenkungskonzept kann keine Kommune alleine machen!

Mit dieser Erkenntnis hat der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Teufel bei der regionalen Neuordnung Anfang der 90er Jahre die Direktwahl möglich gemacht. Dass er ein paar Jahre später in einem Alleingang die Landräte machtvoller gemacht hat, hat die Entwicklung der regionalen Ebene dann wieder zurückgeworfen.

Soft Version: Die Grünen haben gedacht, das Kind der großen Koalition wird sowieso ein Durchsetzungsverein für Großprojekte – und sind bald darin bestätigt worden;
Hard Version (die Freien Wähler waren einzig darauf bedacht, die ganze Sache unauffällig zu fahren und die Umlage so niedrig wie möglich zu halten; die CDU hat gedacht, solange es dem Land dient sind wir dabei; die SPD sah sich als die Mutter der Region. Die FDP hat mit Gegengutachten offen Front gemacht gegen die Region.) Initiativen vom Frauenratschlag über das Forum Region bis zum Dialogforum der Kirchen haben die Entwicklung begleitet und begleiten sie noch.

Aus diesem Konglomerat aus Argwohn und Skepsis, aus Aufbruchsstimmung und Gründergeist entwickelte sich die erfolgreiche Region, wie wir sie heute haben.

Als die Region die Aufgabenträgerschaft für den Landschaftspark bekommen hat und es zum Bedauern vieler – nicht zu unserem – keine Olympischen Spiele in Stuttgart gab, merkten plötzlich viele, da geht noch einiges neben den Großprojekten, da geht nicht nur graue Infrastruktur, sondern auch grüne!

In der Stuttgarter Zeitung stand 2007: "Grün statt grau: Die Region ändert ihre Schwerpunkte".
Der Schutz des Freiraums steht im Vordergrund und in der Öffentlichkeit. Der Landschaftspark gab und gibt ihm ein Gesicht. Bis heute ist das Förderprogramm jedes Jahr überzeichnet, obwohl die Kommunen kofinanzieren müssen. Mit zehn Millionen Euro Fördersumme in den letzten acht Jahren, wurden 36 Millionen Euro für grüne Projekte in den Kommunen ausgelöst. Wir Grüne finden diese Art der Wirtschaftsförderung zweimal gut: Büros von LandschaftsplanerInnen bekommen Aufträge und vernetzen Grünflächen mit Wasserläufen und Radwegen.

Als es an den Kauf von S-Bahnzügen ging und an die Ausschreibung der S-Bahnleistung, wurde die Macht der Region zum ersten Mal offensichtlich. Trotz unterschied-licher Positionen bei den Großprojekten gab es eine große Einigkeit darüber, dieses Neuland zu beschreiten.

Die europaweite Ausschreibung sorgte für Abstand zur Hoflieferantin Deutsche Bahn und lockerte für kurze Zeit die enge Beziehung. Heute ist sie wieder sehr eng und der Netto-Bestellvertrag muss gelebt werden. Wir Grüne bestehen auf die vereinbarten Lieferungen, fordern die Wiederherstellung der pünktlichen und zuverlässigen S-Bahn und nennen die Dinge auf einem S-Bahngipfel beim Namen. Gut, wenn daraus eine Mehrheit wird – wie es der Fall war!

Dass die Regional-CDU die Grünen und die SPD gegenüber der Landeregierung beim ÖPNV unterstützte war richtig und wichtig. Tatsächlich traten Parteiinteressen in den Hintergrund um die regionale Ebene zu stärken. Der Lohn ist der heute vorliegende ÖPNV-Pakt.

In den kommenden Jahren wird es darum gehen, den ÖPNV für die Fahrgäste und die öffentlichen Hände attraktiv und bezahlbar zu halten – mit Angebots-verbesserungen und trotz Stuttgart 21. Die Region zeigt, dass das gehen kann. Die Region zeigt, dass es möglich ist, bei steigendem Angebot die Verkehrsumlage zu halten. Deshalb ist die Verkehrsplanung, Verkehrsbestellung und -bezahlung gut bei der regionalen Ebene aufgehoben. Ob das bei der Kreisumlage auch funktioniert, bleibt abzuwarten.
Mit der Einrichtung der Expressbusse wird die Region weitere Verbesserungen erreichen. Dass ein zusätzliches Produkt in der Angebotspalette zusätzlich kosten wird, daraus braucht man keinen Hehl machen. Das wird so sein.

Um die Finanzen geht es ja immer. In der Region, im Kreis, in jedem Rathaus. In der Denkwerkstatt Region werden aber Antworten gefunden auf die Fragen, wie reicht das gleiche Geld für mehr bestellte Schienen-Kilometer, und wie bekommen wir mehr Regionalisierungsmittel? Durch kontinuierliche Arbeit hat die Region die Effizienzrendite erwirtschaftet!

Die Grünen in der Region wissen: Die regionale Brille ist keine rosa Brille – sie schärft die Weitsicht! Der demographische Wandel, stagnierende Bevölkerungszahlen wurden in der Region zuerst thematisiert, als noch kein Rathaus und auch nicht das Statistische Landesamt, sich mit den Folgen befasste. Seit der Zensus letztes Jahr in manchen Teilen der Region gar zurückgehende Bevölkerungszahlen ausmachte, ist klar, dass die Region eine Verantwortungsgemeinschaft ist. Solidarisch und die Situation jeder einzelnen Kommune würdigend.

Die Strategiediskussion der Wirtschaftsfördergesellschaft hat dies aufgegriffen: Von der Automobilregion zur Mobilitätsregion. Gerade hier, in der Region der Autobauer, können wir zeigen wie die Verkehrswende geht. Die Grünen in der Region wollen den Schwerpunkt Energie-und Materialeffizienz beisteuern, ebenso wollen wir die Clusterpolitik der Region an den Klimaschutz-zielen messen. Das ist uns wichtiger als das pure Vermakeln von Gewerbegrundstücken. Gerade reichere Regionen müssen mit gutem Beispiel vorangehen.

Wir haben den Sport vernetzt und den Tourismus. Wer Stuttgart besucht, soll auch einen Tag auf der Alb wandern oder das Ludwigsburger Schloss anschauen. Und wir wollen eine Kulturregion werden, in der man die Highlights in Stuttgart genießt, aber genauso die Kleinkunst in Strümpfelbach.

Keine Kommune muss alleine den Kontakt nach Brüssel halten. Hier liest die Region Förderprogramme, bündelt Interessen, schreibt Anträge und ist Brücke nach Europa.
Manch viel versprechendes Projekt hat sie so an Land gezogen.

Die Weiterentwicklung der Region ist uns per Gesetz
und Vernunft aufgetragen. Wir Grünen stehen weiter mit Engagement und guten Ideen zum Verband Region Stuttgart.


Danke