Rede von Ingrid Grischtschenko zum Haushaltsentwurf 2012 Regionalversammlung 12.10.2011

Haushalt 2012 - 1. Stellungnahme

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

ich will eingehen auf die Rede der Regionaldirektorin zum Haushaltsentwurf 2012 vor drei Wochen, auf meine Vorredner heute und auf den laufenden Haushalt 2011.

Vorausgeschickt: kritische Betrachtung ist unsere ständige Aufgabe, konstruktive Vorschläge zu machen ebenfalls. Wir halten die regionale Ebene für unverzichtbar, ihre Bündelungsfunktion für enorm und ihr Potential für noch lange nicht ausgeschöpft. Daraus leitet sich kein Automatismus ab, alles gut zu finden, was die Regionalverwaltung vorschlägt.

Gut war, dass die Regionaldirektorin die Tangentialverbindungen S60 und S40 unserer S-Bahn v o r  der Förderung des Projekts S21genannt hat. Die Reihung ist neu und deshalb erwähnenswert. In der Tat: Wenn bei einem öffentlichen Haushalt, allein der Verkehrshaushalt 94% ausmacht, lässt sich daran leicht ablesen, wo die regionale Zuständigkeit liegt. Aber, es geht nicht nur um das Volumen, es geht auch um die Netto- Investitionsabsichten an denen sich der Gestaltungswille ablesen lässt. Im Haushaltsentwurf ist die Gewichtung genau andersrum: Nächstes Jahr sollen 12,5 Millionen Euro zum dritten Mal für S21 fließen und nur 8,1Mio eigene Investmittel in die S-Bahn!  Beides schlägt auf die Umlagen durch, die Vorfinanzierungen in Höhe von 11 Mio. nicht, deshalb können sie hier nicht dazu gerechnet werden.

Dass dieses Fernverkehrsprojekt unseren gut funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr beeinträchtigt, merken wir alle seit Signalabbau und Rampensperrung. Es mehren sich die Zweifel an den versprochenen Verbesserungen für den Nahverkehr. Alle müssen aufpassen, dass keine Abstriche an dieser Forderung gemacht werden und die Mehrheit schon froh ist, wenn es zu keinen Verschlechterungen kommt, oder echte Verschlechterungen anfängt klein zu reden. Die 100 regionalen Millionen für S21 sollten zu "Verbesserungen" führen!

Der Verkehrsausschuss hat dies erkannt und deshalb den S-Bahn-Linientausch der DB abgelehnt. Das ist ein guter Anfang, der zeigt, dass der VRS, als Aufgabenträger der S-Bahn, selbstbewusst für seine S-Bahn einsteht und sie nicht zum Spielball werden lässt im großen Getriebe der Fernzüge.
Was auch nicht vergessen werden darf, dass die Region sich einmal zusammen mit der Landeshauptstadt um die Austragung der Olympischen Spiele 2012 beworben hat: Nächstes Jahr sollte der Tiefbahnhof fertig sein. Gegen Ende der Bewerbung, als schon langsam die Ernüchterung eintrat, wurde eingeräumt, es könnte auch 2013 werden.

Es ist überfällig, aber noch nicht zu spät, dass der VRS eine saubere Kosten-Nutzen-Analyse macht: Wieviel S-Bahn pur könnten wir für 100 Millionen kaufen? Wieviel Investitionen tätigen, wieviel Betriebskosten stemmen? Zum Vergleich: Für 16 Millionen Euro hat die Region gemeinsam mit den Kommunen im Raum Kirchheim die Verlängerung der S1 vorfinanziert.

Denn eines zeichnet sich zum ersten Mal in einem regionalen Haushalt ab: Die Trassen-und Stationspreise der Deutschen Bahn steigen erheblich - jetzt schon, noch ohne neue Trassen und neue Stationen. Die Regionalisierungsmittel halten nicht mit. Es entsteht eine Lücke von über 4 Mio., allein im nächsten Jahr!
Die Verwaltung schlägt Gespräche vor und will die davonlaufenden Betriebskosten nächstes Jahr aus der Rücklage nehmen. Ehrlicher wäre es, die Umlage zu belasten und Kommunen und Fahrgäste darauf einzustimmen was ihnen in Zukunft blüht:
Steigende Betriebskosten und Fahrpreise selbst bei Deckelung der Investkosten. Wer hat sich schon einmal die Folgekosten von S21 überlegt? Wo sind die Spezialisten für die Vermeidung von Folgekosten?

Die Region hat ein elementares Interesse daran, Fahrgäste zu halten und neue zu gewinnen. Wenn die SchülerInnen weniger werden, die bisher noch einen erheblichen Beitrag zur Stabilität der Fahrgasteinnahmen leisten, müssen wir gute Ideen haben um einen Ersatz zu finden. Die Ideen sollten besser und weitsichtiger sein, als einfach die Fahrpreise zu erhöhen.

Die Grünen in der Region wollen auf einer Tarifklausur im Frühjahr Vorschläge erarbeiten und haben dazu einen Antrag vorgelegt.
Die Abstimmung mit dem Verkehrsverbund sollte dabei auch in die Richtung gehen, die regionalen Gremien rechtzeitig und angemessen an der Tarifbildung zu beteiligen. In Zukunft wird die intelligente Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger eine noch größere Rolle spielen. Nicht nur mit dem eigenen Auto zur S-Bahn-Station, was wohl die häufigste Verknüpfung bisher ist, sondern z.B. mit dem eigenen Rad zum öffentlichen Carsharing-Auto oder mit dem Kombi-Ticket ins Stadion oder zum Konzert, oder nicht nur mit der Stadtbahn ins Theater, sondern Theater schon in der Stadtbahn.....

Von den Folgekosten wieder zu den Investitionen:
Der Wahrheit und Klarheit des Haushaltes wäre auch gedient,  wenn der VRS eine Kostenprüfung machen würde bei S21, so wie er es zu Recht bei der S60 macht. Seit einem "symbolischen" Spatenstich, dem Versetzen eines Prellbocks am Kopfbahnhof, schreibt Herr Mattlinger nämlich echte (nicht "symbolische" Überweisungen raus, ohne Abfrage des Baufortschritts!

Die Region musste sich bei der S60, der Querverbindung zwischen den Streckenästen nach Herrenberg und Weil der Stadt, gefallen lassen, dass auf halbem Weg noch einmal eine standardisierte Bewertung abgefragt werden sollte - zeitgleich wurden gerne die regionalen Millionen für S21 abgegriffen ohne Überwachung und Baukontrolle!

Durch die Vorfinanzierungen erfüllt der Verband seine S-Bahn-Aufgabe. Mit fast 50 Millionen Euro ist er bis zu diesem Jahr in Vorleistung gegangen. Vom Land kam ungefähr die Hälfte zurück, die andere Hälfte steht noch aus. Wir Grünen versprechen uns vom S21-Ausstiegsgesetz, über das die Bevölkerung abstimmen soll, auch eine bessere Zahlungsmoral des Landes der Region gegenüber:
Wenn das Land seinerseits aus Vorfinanzierungen und Übernahmen von Bundesanteilen zurück kann, hat es wieder Geld für die Region.

Zu den Fördermitteln des Landes an die Region:
Unter dem Titel " Modellregion nachhaltige Mobilität" stehen der Region erhebliche Fördermittel zur Verfügung. Wir unterstützen die Ausschreibung eines regionalen Wettbewerbs und haben einen Vorschlag dazu ausgearbeitet. Anhand eines Kriterienkatalogs sollen Projekte zum Zug kommen, die den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und einfacher machen. Da gibt es in der Fläche, am Rande des Ballungsraumes, noch großen Nachholbedarf. Auch sollen die Verkehrsteilnehmer zur umweltfreundlichen Fortbewegung (Fahrradfahren, Laufen) motiviert werden. Auto- E-Mobilität soll dagegen aus diesem Programm nicht gefördert werden, dieser Bereich wird schon reichlich im Rahmen anderer Projekte unterstützt. Eine weitere Unterstützung des MIV verstärkt das  Problem mit unseren überfüllten Straßen im Ballungsraum und ist kontraproduktiv zur Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel, die damit finanzierbar bleiben.

Bei der Organisation des Wettbewerbs zur nachhaltigen Mobilität können wir auf das inzwischen bewährte Vorgehen beim Landschaftspark zurückkommen: Die Jury wählt die vielversprechenden Projekte aus, die Kommunen und Unternehmen finanzieren ko im Verhältnis 50/50.

Und weil die Komplementärfinanzierung beim Landschaftspark so gut funktioniert - der Topf von jährlich 1,5 Mio. ist regelmäßig überzeichnet - wollen wir bei der KulturRegion ähnlich verfahren. Wir beantragen statt der 100.000 Euro mehr, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, 250.000 Euro. Die finanziellen Aufwendungen der Region werden auch hier durch Gelder anderer Partner ergänzt, so dass wir auf die 400.000 Euro kommen, mit denen die Neuausrichtung der KulturRegion begonnen werden soll. Das kulturelle Erscheinungsbild der Region wird  nach innen und nach außen besser erkennbar werden, und das ist ein Standortfaktor! Die Region wird nach siebzehn Jahren endlich mit der S-Bahn in Verbindung gebracht, und wir können dann sagen: Klimaschutz, Windräder, Landschaftspark, nachhaltige Mobilität und KulturRegion,  das ist es, was wir auch noch machen!

Zum Klimaschutz und zur Energiewende wollen wir die letztes Jahr begonnene Diskussion bis nächsten Sommer zu einem Gesamtenergiekonzept weiterführen. Die Region als Planungsebene kann ihren Beitrag bei den Standorten für Windräder, Biogasanlagen und Solaranlagen leisten. Der VRS identifiziert möglichst schnell raumverträgliche Standorte für die Energieerzeugung: klopft mit den Kommunen die ehemaligen Eignungsgebiete für Windkraft auf ihre Tauglichkeit ab, arbeitet mit den Kommunen an Standorten für Biogasanlagen in Nahwärmeinseln oder an vorhandenen Gasnetzen und intensiviert die Solarbörse. Und schließlich: In  Zusammenarbeit mit der Bürgerschaft, den Kommunen  und den Landkreisen wird ein regionales Energie- Kompetenzzentrum eingerichtet.

Zu den europäischen Fördermitteln an die Region:
Gelingt es dem Verband, zusammen mit der Wirtschaftsförderung, sich in ein Europaprojekt einzuklinken , war es in der Vergangenheit oft so, dass die Region nur ein Drittel bringen musste und zwei Drittel aus Brüssel kamen. In zehn Jahren kamen auf diese Weise 15 Mio. Euro Fördergelder in die Region. Ab 2014 greift die nächste Strukturpolitikreform und der Gesetzesentwurf sieht vor, auch die reichen Regionen weiterhin zu bedenken. Diese wohlhabenderen Regionen werden dabei angehalten, beispielgebend verstärkt in Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Innovationen zu investieren sowie kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen.
Der Aufforderung kommen wir doch gerne nach und gehen davon aus, dass Wirtschaftsförderung und Verwaltung dies genau so sehen.

Zum laufenden Haushalt 2011:
Die Entscheidung im letzten Wirtschaftsausschuss mit überplanmäßigen Mitteln in die Öffentlichkeitsarbeit zur Volksabstimmung über das S21-Kündigungsgesetz einzusteigen, halten wir für überflüssig und falsch.

Die Regionalversammlung verfällt in hektische und heftige Betriebsamkeit wenn es um eine Broschüre geht, nachdem sie viel zu lange darauf vertraut hat, dass mit der S-Bahn schon alles in Ordnung wäre. Und es nicht gelungen ist, das Thema im Lenkungskreis und beim Stresstest zu platzieren: Stresstest ohne S-Bahn gilt nicht!
Wir haben den Eindruck, da wird Aktivität versprüht, wo Hinterfragen besser wäre: Wir haben den Eindruck, da passt ein Ausspruch Goethes:
"Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt"

Projektpartner zu sein, darauf sollten wir uns nichts einbilden sondern aufpassen, dass wir nicht über den Tisch gezogen werden und die S-Bahn zur Manövriermasse wird. Der Verband wird daran gemessen werden, wie er für seine S-Bahn einsteht und ob er sie unbeschadet aus dem Streit S21/K21 bringt  und er hat 340.000 Fahrgäste und damit Beobachter täglich. Und da stehen wir alle in der Verantwortung.

Danke.