Wohnraumallianz Baden-Württemberg - Zwischenergebnisse

Für eine wesentliche Stellschraube halten wir die Umsetzung qualitätvollen verdichteten Bauens. Hier leistet der Verband Region Stuttgart mit seinen regionalplanerischen Dichte-Vorgaben einen wichtigen Beitrag.

 

 

 

 

Rede von Dorothee Kraus-Prause Regionalversammlung 25. April 2018

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Frau Dr. Schelling, Herr Kleiner, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Hofer,

zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Hofer, für ihre ersten sehr inspirierenden Überlegungen zur IBA 2027 bedanken. Wir sind gespannt auf dieses in der Region stattfindende, aber weit über die Region hinausweisende Zukunftsprojekt. Gerade was den Bereich Wohnen angeht, haben wir große Erwartungen. Wir haben uns gefreut, dass Sie die Internationalität betont haben, die IBA wird die Frage des Wohnens in einen politischen und sozialen Kontext stellen müssen, wie es die Weißenhofsiedlung damals versucht hat. Sie haben die hohe Qualität angesprochen im Blick auf exemplarische Lösungen, die sicher oft im Konflikt zu gängigen Zielvorstellungen sein werden und sich an globale Absprachen, wie das Pariser Klimaschutzabkommen, halten müssen. 

Vor diesem weiten Hintergrund danken wir Ihnen, Herr Kleiner, für die Vorstellung der Wohnraum-Allianz. Wir sind nicht mit allen Punkten einig, aber teilen Ihre Situationsbeschreibung. Bei der Erstellung des Regionalplanes hatten auch wir die prosperierende Entwicklung der Region unterschätzt im Blick auf die Bevölkerungszunahme. Allerdings hat der Regionalplan selbst für den jetzigen Bedarf genügend Potentialflächen eingeplant, die nun umgesetzt werden können und müssen. Die Schaffung von Wohnraum in den Ballungszentren darf aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt schneller Realisierbarkeit gesehen werden, sondern sie muss sich auch dem Anspruch an Klimaschutz, Ressourceneffizienz und langfristige Qualität stellen.

Lassen Sie mich deshalb kurz auf die von Ihnen benannte und von der Ministerin in jüngster Zeit häufig angemahnte Änderung der Landesbauordnung eingehen. Als Steine des Anstoßes werden v.a. die Dachbegrünung und die Fahrradabstellflächen zitiert, genauso wie angeblich überhöhte Energiestandards. Ich bin sicher, dass auch Sie die Sorge um unser aufgeheiztes Stadtklima umtreibt. Wir brauchen eine multimodale Mobilität, die das Fahrrad als wesentlichen Teil einbezieht und auch Sie wissen, dass ein Fahrradstellplatz nur einen Bruchteil eines PKW -Stellplatzes kostet. Wir haben in Wien urbanes Wohnen kennengelernt mit ertragreichen Dachgärten, großen Fahrradgaragen und kleinen Abstellflächen für die Carsharing -Autos.  Dort wohnen Menschen unterschiedlichen Einkommens und verschiedener Nationalität zusammen und im Idealfall können sie die Wohnungen tauschen, wenn sich die Wohnbedürfnisse ändern. Dies geht leichter bei Baugruppen und genossenschaftlichem Wohnen.  Hier zu fördern und zu unterstützen sind Sie auf der Landesebene gefragt. Es kann nicht sein, dass v.a. private Investoren und „Generalunternehmer“ von der Wohnungsnot profitieren und gemeinschaftliche, „renditebescheidene“ Wohnprojekte nicht zum Zuge kommen. 

Wir begrüßen die bisherigen Bemühungen um die Optimierung des Landes-Förderprogramms „Wohnungsbau BW 2018/19“ und halten sie für ausbaufähig, auch was die Anreize für die Schaffung von Sozialmietwohnraum angeht. Nachdem – lange weitgehend unbeachtet – unzählige Wohnungen aus der Mietpreisbindung fielen und zum Teil auch Wohnungen der öffentlichen Hand an private Unternehmen verkauft wurden, muss hier ein besonderer Akzent gesetzt werden. Die Gentrifizierung ist kein Berliner Problem, sondern findet auch in Stuttgart statt und Wohlfahrtsverbände beklagen die Zunahme von Obdachlosigkeit, inzwischen auch bei Menschen, die Arbeit haben. Eine erhöhte und verstetigte Wohnraumförderung von Land und Bund ist notwendig.

Wir unterstützen Ihre Förderung der Erstellung von Mietspiegeln. Im ländlichen Bereich noch Mangelware, können sie helfen Kriterien für die Mietfestlegung zu finden. Auch der prüfende Blick auf die Zweckentfremdung von Wohnraum ist notwendig. Die Möglichkeit Verstöße von Zweckentfremdung und Leerstand mit einem Bußgeld zu ahnden, kann ein Beitrag zum Erhalt des Wohnungsbestandes sein. Die Notwendigkeit Bürgerbegehren zur Bauleitplanung wieder aus der Gemeindeordnung zu streichen, sehen wir nicht. Wir erleben vielmehr auch ohne Bürgerbegehren Verwaltungen und Gemeinderäte, die auf den nachbarschaftlichen Protest aus den Einfamilienhäusern reagieren, indem sie bebauungsplankonforme verdichtete Wohnbebauung noch mit einer Veränderungssperre verhindern.

Für eine wesentliche Stellschraube halten wir die Umsetzung qualitätvollen verdichteten Bauens. Hier leistet der Verband Region Stuttgart mit seinen regionalplanerischen Dichte-Vorgaben, seinen Gesprächen in den Gemeinden vor Ort und mit seinen Kongressen und seinem Aktionsprogramm Wohnen einen wichtigen Beitrag, auch in der Wohnraum-Allianz. Trotz Wohnungsnot ist es wichtig, dass wir die Siedlungsstrukturen, entlang der Entwicklungsachsen des öffentlichen Verkehrs beibehalten, wenn wir keinen Verkehrskollaps haben wollen. Bei der Ausweitung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur sind wir allerdings maßgeblich auf die Unterstützung des Landes angewiesen, wie auch im ersten TO-Punkt diskutiert. Noch sind die Wohnungsbauschwerpunkte entlang dieser Achsen nur zum Teil realisiert und wir plädieren dafür diese vordringlich zu überprüfen, bevor deutlich schlechtere Gebiete zum Zuge kommen.

Das Baurecht selbst schaffen die Kommunen. Ihnen obliegt es letztlich die Wohnflächen aus den Flächennutzungsplänen auch umzusetzen. Flächentausch ist einfacher geworden, insofern sind Hinderungsgründe bereits abgebaut. Der Grundsatz des „Innen vor Außen“ bleibt, unabhängig von der Größe der Kommune. Das Innenentwicklungsmodell der Landeshauptstadt ist ein gelungenes Beispiel. Und wenn es um den Neubau geht, so ist auch in ländlichen Bereichen moderates verdichtetes Bauen möglich und findet angesichts der Mietpreisentwicklung Akzeptanz.

Um Erfolge im Wohnungsbau zu erreichen, bedarf es des entschiedenen Vorgehens auf allen Ebenen in Bund, Land, Region und Kommunen. Doch nicht alle Vorstöße zeitigen die angestrebte Wirkung. Hat der Bundesgesetzgeber für Stadtquartiere mit seinem Gesetz für die „Urbanen Gebiete“ neue Möglichkeiten zu Nachverdichtung und Nutzungsmischung geschaffen, so hat der § 13 b im Verdichtungsraum kaum Auswirkungen gezeigt.  Er wird im Gegenteil als Instrument genutzt, um im ländlichen Raum Flächen auszuweisen. In jedem Planungsausschuss haben wir Anträge von kleinen Gemeinden, die nach 13b arrondieren. Ohne auf Artenschutz und Ausgleichsmaßnahmen achten zu müssen entstehen neue Einfamilienhäuser.

Angesichts der beschriebenen Situation ist es die Aufgabe der Politik für einen Mentalitätsumschwung zu sorgen und statt des Einfamilienhauses mit Carport die Vorzüge neuer Wohnformen - vielleicht auch in Holzbauweise - positiv zu besetzen. Dazu, Herr Hofer wird die IBA sicher bald entscheidende Akzente setzen und auch das Land, Herr Kleiner, wird diese IBA hoffentlich maßgeblich unterstützen.