Stand des Glasfaser-Kooperations-Programms

Rede von Michael Lateier Regionalversammlung 3. April 2019

Sehr geehrter Herr Bopp, sehr geehrte Frau Dr. Schelling,
sehr geehrter Herr Bahde
werte Kolleginnen und Kollegen,

die Versorgung mit schnellem Internet ist in allen Bereichen – bei den privaten Haushalten, Schulen, Vereinen sowie Unternehmen – die Voraussetzung um die voranschreitende Digitalisierung sinnvoll nutzen zu können.
Für die Bürgerinnen und Bürger sind ausreichende und bezahlbare Internetzugänge elementarer Bestandteil, um am gesellschaftlichen Leben aber auch an Bildungsangeboten teilzuhaben. Zugleich ist die Breitbandversorgung aber auch existentielle Grundlage für unsere Arbeit und damit Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Region. Wir brauchen also eine tragfähige Strategie für den Weg in die Gigabit-Gesellschaft. Uns Grüne müssen sie jedenfalls nicht von der Notwendigkeit von 100% Glasfaser überzeugen.

Die Region ist einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte Europas und ein führender Technologiestandort weltweit. Wir haben Weltkonzerne, außergewöhnlich innovative und qualitätsbewusste Mittelständler, einige davon sind Weltmarktführer. Wir haben eine starke IT-Branche, insbesondere im Bereich Virtuelle Realität, Open Source und Softwareentwicklung. Wir haben eine hervorragende Forschungslandschaft mit Höchstleistungsrechenzentrum und einem der schnellsten Rechnersysteme in Europa. Was wir aber zumeist nicht haben ist eine ebensolche herausragende Netzinfrastruktur! Im Vergleich mit vielen anderen Staaten und Regionen sind wir hinsichtlich des Breitbandausbaus ein Entwicklungsland.

Die Zahlen wurden genannt:
- Ganze 2,6% Glasfaseranschlüsse bei der Breitbandversorgung in Deutschland (BW 2,0)
- Zum Vergleich: Südkorea 78, Spanien 50, Schweiz 20 und Polen immerhin 12% (EU 10%)
- Anschlüsse > 50 Mbit liegt die Region Stuttgart mit 88% hinter allen Konkurrenten.

Schuld an dieser Situation ist insbesondere die vormalige(n) Bundesregierungen, die den Breitbandausbau verschlafen hat und hier insbesondere das Verkehrs-/Infrastrukturministeriums. Selbiges hat in der Vergangenheit zwar in den entsprechenden Sonntagsreden von Digitalisierungsoffensive gesprochen aber ansonsten beim Breitbandausbau versagt hat.

 

Auch jetzt gibt es keine klaren Entwicklungsziele beim Thema Glasfaser. Und im aktuellen  Bundeshaushalt sind gerade einmal 3 Milliarden für den Netzausbau vorgesehen. Wenn man gleichzeitig lesen muss, dass die Bundesregierung rund 40 Mrd. an Infrastrukturmittel (!) für den Kohleausstieg bereitzustellen will ist dies ein Armutzeugnis.

McKinsey hat in einer Studie sehr deutlich unterstrichen, dass die Datenströme auch ein wesentlicher Teil der zukünftigen Wohlstandsentwicklung sind. Es gibt diesen engen Zusammenhang zwischen Infrastruktur, Mobilität und Wohlstand. Deswegen haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2022 90% der Unternehmensstandorte und bis 2030 90% der Haushalte mit Glasfaser auszustatten. Insofern gibt es einen immensen Nachholbedarf und auch einen hohen Zeitdruck.

Das in den letzten Wochen nur noch wenig zum Thema Netzausbau/Backbone und kommunale Netze zu hören war, dafür aber umso mehr über Thema SmartCity, SmartRegion, Mobilität und Industrie 4.0 – also inhaltliche Themen – ist auch ein Verdienst der Region und vor allem von Ihnen Herr Bahde. Dafür gebührt Ihnen unser Dank!

Aber diskutieren wir kurz den Stand der Dinge.
Vor über zwei Jahren sind wir gestartet in der Region ein regionales Breitband-Glasfasernetz zu etablieren. Vor einem Jahr wurde dann in einem Vor-Vertrag mit der Telekom vereinbart in einer Kooperation den Glasfaserausbau zu stemmen.
Vor etwas über einem halben Jahr sind wir hier gestartet, um die Region, die Kommunen aber auch lokale Anbieter von einer gemeinsamen Breitband-Service-Gesellschaft mit der Telekom zu überzeugen. Nur eine Kommune hat sich gegen die Teilnahme entschieden.
Wenngleich noch ein paar wenige – wenngleich gewichtige – Kommunen fehlen ist dies ihnen Herr Bahde gelungen mit unglaublichen Erfolg gelungen. Das mittlerweile eher die Inhalte und die Zeitpläne im Vordergrund stehen und weniger die Technik ist vor allem ihr Verdienst und dafür gebührt ihnen ein großes Dankeschön!

Die regionale Breitband-Service-Gesellschaft und die entsprechenden Kreis-Gesellschaften sind in Gründung und die ersten Kooperationen mit lokalen Anbietern, den Stadtwerken, sind geplant.

Damit ist der erste Meilenstein auf dem Weg zum Gigabit-Gipfeln erreicht. Dies war allerdings der leichtere Weg. Nun folgt der mühevollere Weg der kleinen Ausbauschritte und hier sind wir alle gefragt: Insbesondere die Kommunen, aber auch wir alle als potentielle Nutzer/innen.
In den nächsten Wochen werden die Kommunen über den weiteren Weg zu entscheiden haben. Die Service-Gesellschaft wird zusammen mit der Telekom alle Kommunen über den konkreten Ausbau und vor allem über die Kosten und die konkreten Bedingungen sprechen.

Diese Gespräche werden für die Kommunen sicherlich nicht einfach werden. Denn es wird dabei einerseits über den 100%igen Ausbau und die und die zeitliche Ausgestaltung der Anbindung in „Cluster“ von etwa 10.000 Haushalte bzw. den Anschluss der einzelnen Gewerbegebiete gehen aber anderseits werden gleichzeitig auch die einzelnen Umsetzungsvereinbarungen ausgehandelt. Nur diese sind am Ende für den Ausbau bindend und rechtlich verbindlich.

Es dürfte jedem Gemeinderat sehr schwer fallen seinen Bürger/innen zu sagen, dass Ihr Gebiet erst zu einem späteres Zeitpunkt oder auch gar nicht angeschlossen wird. Insofern bitte ich Sie Herr Bahde bzw. die Service-Gesellschaft den Glasfaserausbau nicht nur zu begleiten, sondern auch auf ein für ein Höchstmaß an Transparenz einzutreten. Insbesondere die Zeitpläne zum Ausbau und Anschluss zu veröffentlichen und ggf. auch zu begründen. Denn einen wesentlichen Einflussfaktor für den Ausbau haben wir alle in der Hand: Wesentlich für das Vorankommen – da sollten wir uns auch nichts vormachen – ist die Reaktion auf die entsprechenden Voranfragen – alos die „erfolgreiche Vormarktung“!!!
Es gilt aber auch noch einen zweiten, unserer Meinung nach wichtigeren, Aspekt für den Erfolg der Kooperation:

* Wie gestaltet sich die Kosten für den Anschluss und vor allem
* Wie gut gelingt es die Open-Access-Zusage umzusetzen.
Gemäß der vorliegenden Rahmenvereinbarung sollen alle Wettbewerber zu den Netzen haben. Grundsätzlich regelt dabei die Bundesnetzagentur die Entgelte für den Netzzugang (BSA-Layer2 Wholesale-Zugang). Interessanter wird allerdings sein inwieweit
* der Zugang zu den Datenvolumen jenseits der 50 Mbit offen ist
* welche Qualitätsklasse (Realtime, Streaming und Critical Application) angeboten wird und
* welches Datenkontingent inkludierte ist (ggf. zus. Transportkosten)

Dies wird einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren beim Betrieb des zukünftigen Glasfasernetzes sein!
Entscheidend werden auch die konkreten Umsetzungsvereinbarungen (Stichwort Haftung, Pönale und Sonderkündigungsrecht) sein. Und hier liegen auch neben den Ausbaukosten die ersten Überhänge auf unserem Weg zum Gigabit-Gipfel.
Gelingt es uns und insbesondere der Telekom sich als Investor und technischen Netzbetreiber in dieser Partnerschaft einzubringen oder ist der Netzausbau der verlängerte Arm des Marketing und Vertriebs?

Dabei setze wir weniger auf Pönalen, die hier eher untergeordnete Rolle spielen werden, sondern eher auf eine ansprechbare Konfliktlösungsstelle in der Region (Breitband-service-Gesellschaft) und als letzte Möglichkeit die Kündigung der Verträge sowie die – entgeltliche – Übernahme der Infrastruktur bzw. des Glasfasernetzes!

Werter Herr Bahde - sie haben mit den Beitrittserklärungen der Gemeinden und Landkreise eine herausragende Leistung gezeigt und die Ansprüche sehr hoch gelegt! Wir hoffen, das sich dieses Engagement und va. ihre Überzeugungsfähigkeit auch bei den anstehenden Verhandlungen der Umsetzungsvereinbarungen mit der Telekom fortsetzen!

Ich möchte meine Redezeit auch nutzen auf einen weiteren Aspekt der ursprünglichen Vereinbarung einzugehen - den Ausbau des Mobilfunknetzes:
* LTE/4G-Abdeckung auf 98 Prozent bis 2025 und
* Pilotregion für das 5G-Netz
Auch dies war ein wesentlicher Aspekt des Kooperationsprogramms mit der Telekom.

Aktuell findet die Vergabe der 5G-Lizensen statt. Es hinsichtlich des 5G-Ausbaus höchst fraglich, ob die Ausbauziele- und –wünsche der Region unter den derzeitigen Bedingungen erfüllt werden können! Den hier endet auch die Zusage hinsichtlich des offenen Zugangs (Nationales Roming).
Die GRÜNE-Bundestagsfraktion hat im Oktober letzten Jahres Vorschläge für eine flächendeckende 5G-Versorgung in den Bundestag eingebracht, die neben dem nationalen Roaming unter anderem eine Diensteanbieterverpflichtung sowie eine angemessene Ausgestaltung der Versorgungsauflagen für die Netzanbieter vorsehen. Nichts davon findet sich in den Vergaberegelungen für die 5G-Frequenzen. Ob und inwieweit die Vorstellungen der Region hinsichtlich SmartCity, Mobilität 4.0, autonomes Fahren oder auch Industrie 4.0 umsetzbar sein wird bleibt offen. Voraussetzung all dieser Überlegungen ist eine unterbrechungsfreie, synchrone Real-Time-Kommunikation mit hohen Übertragungsraten (10 Gbit/s)– kurz das 5G-Netz.

Während jetzt schon sicher ist, dass kein „Anbieter“unabhängig 5G kommt und damit tatsächlich flächendenkender Einsatz möglich ist, bleibt die zeitliche Persepktive offen. Denn ob die Umsetzung 5G ein in der Region zeitnah kommen wird bleibt Angesichts der Vergaberichtlinien unbeantwortet! Aber der Bundesregierung ist es wichtiger hohe Einnahmen zur Gegenfinanzierung des Breitbandausbau und des Digitalpaktes zu generieren. Auch hier verweise ich nochmal auf die geplanten 40 Mrd. Infrastrukturzusagen zum Kohleausstieg.

Zumindest mittelbar stehen die Region Stuttgart und der Verband allerdings auch in einer Mitverantwortung! Unabhängig davon wie das Vergabeverfahren ausgeht ist jetzt schon absehbar, dass in den nächsten Jahren der zusätzliche Bau von entsprechenden Funkmasten notwendig sein wird. Ob nun 50% oder die doppelte Anzahl Masten notwendig ist derzeit nicht ganz klar. Sicher ist aber, dass weitere Funkmasten benötigt werden. Und die Aufstellung zusätzlicher Stationen/Masten wird eine sehr große Herausforderung. Zwar wollen wir alle die entsprechenden Leistungen auf dem Handy/Tablet nutzen, die Bereitschaft den Aufbau neuer Funkmasten ist allerdings weniger euphorisch. Angesicht der Planung von 5G ab 2021 und der Geschwindigkeit bei der Genehmigung zusätzlicher Anlagen ist auch hier der Zeitplan und va. der Ausbauplan ambitioniert. Sinnvoll wäre daher auch der alternative Auf- und Ausbau von öffentlich zugänglichem WLAN-Netzen zur Entlastung der Kommunikations-/Mobilfrequenzen.

Bedanke möchte ich mich an dieser Stelle insbesondere bei Herrn Bahde, der WRS und der Verbandsverwaltung für die bislang geleistete Arbeit!
Verbunden ist dieser Dank allerdings mit der Bitte in ihren Bemühungen nicht nachzulassen! Sie können dabei auch stets mit der Unterstützung der Grünen Fraktion rechnen - sofern und soweit im Gegenzug aber auch klare und transparente Regelungen getroffen und eingehalten werden.
Die Transparenz - lassen Sie mich das auch zum Abschluss nochmals betonen – ist unser Hauptwunsch an die zukünftige Breitband-Service-Gesellschaft: Transparenz und eine offene Kommunikation!

Wir halten derzeit nicht weniger als ein Stück Zukunft der Region in der Hand. Dies kann und muss unser gemeinsames“ regionales Erfolgsprojekt werden! Ich wünsche uns einen guten Start in den tatsächlichen physikalischen Netzausbau – die ersten 6 Stadtteile stehen ja bereits fest – sowie bei der vertraglichen Ausgestaltung der Umsetzungsvereinbarungen.

Vielen Dank!