Rede Regionalversammlung 15.12.2021

Wasserstoffstrategie für die Region Stuttgart

Dr. Ludger Eltrop

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp, sehr geehrte Frau Regionaldirektorin Dr. Schelling, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen in der Regionalversammlung,

Wir befinden uns in wichtigen Zeiten! Wenn eine zukünftige Generation eines Tages auf uns schaut, würde sie sicher sagen: „Sie haben alles gewusst! Die Fakten zum Klima, zur Umwelt, zum Lebensstil waren klar!“. Aber werden sie auch sagen: „Die haben damals entschlossen reagiert, haben entschieden Konsequenzen gezogen“?

Die neue Bundesregierung vermittelt im Koalitionsvertrag den Eindruck, dass sie kapiert hat. Dass sie umsetzen möchte, was für die Transformation notwendig ist.

Im Umfeld zu unserem heutigen Thema „Wasserstoff“ finden wir uns in folgenden Punkten des KoaV wieder  
1. Früheres Erreichung der Klimaneutralität (bis 2045)  
2. Priorität für den Ausbau der erneuerbaren Energie (neues Ziel 2030 80%, bei 680 – 750 TWh BrStrBed)
3. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN zur Richtschnur der Politik zu machen  
4. Zentrale Rolle des CO2-Preises mit sozialer Ausgestaltung    

Zum Thema Gas und Wasserstoff wir deutlich, dass es eine Priorität für die heimische H2-Erzeugung geben soll. Beim H2-Import soll auf Klimaauswirkungen und faire Wettbewerbsbedingungen geachtet, Gaskraftwerke z.B. auf klimaneutrale Gase umgebaut werden (H2-ready). Die Elektrolysekapazität soll 2030 10 GW erreichen.
Wichtig, aber nicht trivial ist das mehrfache Bekenntnis, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren – auch bei den erneuerbaren Energien – beschleunigt werden sollen. Dies will auch die Landesregierung mit einer Task Force zur Halbierung der Genehmigungszeit für erneuerbare Energieprojekte.  

Wasserstoff bewegt sich ja derzeit zwischen Hype und Hoffnung. Nun will auch die Region Stuttgart hier dabei sein? Was sind die Kernpunkte der Strategie? Was sollte uns bei der Umsetzung leiten?

Man kann es nicht häufig genug sagen: Es geht um „grünen“ Wasserstoff. Nur „grüner“ Wasserstoff kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten!

Dabei kann die Erzeugung von grünem Wasserstoff nicht von einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien getrennt werden. Vielfach ist es effizienter, den Strom direkt einzusetzen - zum Beispiel für die Elektrifizierung des PKW-Verkehrs und ÖPNV und Teile der Industrieproduktion. Wir brauchen für eine dekarbonisierte Wasserstoffwirtschaft erneuerbaren Strom – und zwar möglichst viel und möglichst bald!

Was ist dann heute unsere Aufgabe? Wir müssen die Wirtschaft und Lebensgestaltung in der Region dabei unterstützen, auf Wasserstoff als klimaneutralem Brennstoff umzusteigen. Ihn komplementär zu erneuerbaren Energien ausbauen. Unternehmen in der Region gehen bereits voraus. So die Fa. Eberspächer mit einem internen Innovationswettbewerb zur Nutzung von H2 und BZ, oder die Fa. Cellcentric mit einer BZ-Produktion. 

Dabei ist es ganz entscheidend, dass wir die spezifischen Potenziale der Region entwickeln. Und da haben wir in der Region Stuttgart eine Kompetenz wie nur wenige andere Regionen: Wir haben einen starken produzierenden Industriesektor, wir haben einen starken Maschinen- und Anlagenbau, wir haben innovative Mittelstandsunternehmen, wir haben zukunftsorientierte Forschungseinrichtungen, wir haben eine aktive Politik und Landesregierung, wir haben engagierte Menschen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Kurz: ein Innovationscluster, dass die komplexe Aufgabe, dem Wasserstoff im System zum Durchbruch zu verhelfen, erfolgreich stemmen kann. Ein „Innovationscluster mit Systemkompetenz“ also.

Wir Grünen befürworten die Vorgehensweise und Beschlussvorlage. Wir wollen energisch dafür sorgen, dass unsere Ressourcen richtig eingesetzt werden und der Kompass in Richtung Klimaneutralität weiter stimmt.

Zur Vorlage drei Impulse:  
1. Es ist wichtig, dass wir eine H2-Strategie für die Region Stuttgart entwickelt haben!
Bisher haben wir noch zu wenig über die genaue Zielrichtung und die Schwerpunkte für H2- und BZ für die Region Stuttgart gesprochen! Mit der vorliegenden Wasserstoff- und BZ-Strategie haben wir einen Rahmen, der es uns ermöglicht, zielgenauer unsere politischen Unterstützungsmaßnahmen auszurichten. Das dort enthaltend Maßnahmenpaket ist ein wertvoller Baukasten, der es uns ermöglicht, die richtigen Schritte mit der richtigen Priorität und Ausrichtung zu gehen. Der Schwerpunkt muss es angesichts vieler anderer Wasserstoff-Strategien und Projekte von Kiel bis zum Allgäu sein, die spezifischen Kompetenzen der Region Stuttgart zu stärken und zum Erfolg zu verhelfen.   
2. Mit dem Projekt „GeNeSiS“ zur „Modellregion grüner Wasserstoff“ entwickeln wir eine entscheidende Kernkompetenz der Region
Gratulation an die WRS für die erfolgreiche Antragstellung und Förderung als „Modellregion grüner Wasserstoff“. Auch wenn die Förderung mit etwas mehr als 10 Mio. EUR geringer ausfällt als geplant, kann man das Konzept und die Gewinnung von so vielen Unternehmen und Einrichtungen nur loben. Eine Pipeline für Wasserstoff ist der Nukleus für den Ausbau und die Systemintegration.
Besonders das Netzwerk an Unternehmen und Einrichtungen, dass das Gesamtsystem „Wasserstoff“ entlang der Pipeline im Neckartal entwickelt, sichert die wichtige Systemkompetenz zu Wasserstoff. Also die Integration aller Technologien entlang der Wertschöpfungskette. Mit einer guten Integration können auch die Wirkungsgrade der Wasserstoffherstellung, z.B. durch Abwärmenutzung bei der Elektrolyse, deutlich gesteigert werden.  
3. Das regionale Ko-Finanzierungsprogramm kann Impulse setzen! Es muss aber zielgerichtet evaluiert und ggf. weiterentwickelt werden.
Das Programm ist mit 20 Mio. EUR über 4 Jahre angesichts der Herausforderungen nur relativ bescheiden ausgestattet. Umso wichtiger ist der zielgenaue Einsatz für die regionale Schwerpunktsetzung. Wir befürworten den Beschlussvorschlag auch in seinen Punkten 4 und 5, dass die Projekte mit einer Skizze im Begutachtungsprozess zunächst vorgeprüft und in einer zweiten Vollantragsphase dann bewilligt werden. Die unabhängige Fachjury sollte aber auch mit Vertretern der Regionalversammlung besetzt sein. Ebenso wichtig ist es, dass nach einem Förderjahr der Prozess evaluiert und im WIV besprochen wird.  

In der Bilanz ist es richtig und wichtig, dass wir in der Region Stuttgart jetzt endlich loslegen. Dass wir nicht weiter zögern. Dass wir unsere regionalen Schwerpunkte und Kompetenzen entwickeln. Gleichzeitig darf eine Wasserstoffzukunft uns nicht verleiten, wir könnten unseren bisherigen Lebensstil unverändert beibehalten. Weitere Schritte zu einer nachhaltigen Region und Wirtschaft sind erforderlich, und wir schließen hier auch eindeutig Suffizienz – also die Kunst des richtigen Maßhaltens - mit ein.

Germanwatch titelt zu Wasserstoff: „…, wichtiger, aber längst nicht einziger Baustein im Klimaschutzportfolio“. Das sehen wir genauso.

Machen wir uns an die Arbeit!