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Rede Mobilitätspakt Nordost Regionalversammlung 23.09.2020

Die verkehrlichen Auswirkungen eines unterirdischen Nordostrings wären genauso schlecht wie die eines oberirdischen.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender

sehr geehrte Frau Dr. Schelling;
werte Mitglieder der Regionalversammlung,

und sehr geehrter Herr Stihl,

vorab möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen für das Engagement bedanken.

Es ist bemerkenswert, wenn sich mit Stihl, Bosch, Lapp, und Trumpf sowie Daimler, Kärcher und Mahle sieben führende Industriebetriebe in der Initiative Landschaftsmodell Nord-Ost für den Landschaftsschutz und die Schonung der Grüngebiete einsetzen.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass die Planer und damit auch die Initiatoren einem oberirdischen Trassenverlauf eine Absage erteilen. Den so ist in der Studie zu lesen: „Die Trasse unter die Erde zu legen, wäre an dieser Stelle [Schmidener und Langes Feld] die einzige zukunftsgerechte und umweltverträgliche Lösung.“

Gleichzeitig - und ich glaube auch da sind wir uns einig – haben die angesetzten Kosten von mindestens 1,2 Mrd. (eher 1,5 Mrd.) Euro die Realisierungschancen nicht verbessert!

Damit endet allerdings die Gemeinsamkeiten! Denn leider richtet sich das Engagement  Initiative Landschaftsmodell Nord-Ost-Ring auf das falsche Ziel, zur falschen Zeit und am falschen Ort!

Der falsche Ort trifft heute in mehrfacher Hinsicht zu!

Die Mehrheit der Regionalversammlung hat den Nordostring vor einiger Zeit in den Regionalplan gehievt. Damit endet unsere Zuständigkeit! Wenn möchten Sie also ansprechen und überzeugen?

Und angesichts des vorherigen Tagesordnungspunktes ist die Diskussion sogar kontraproduktiv!
Der Nordostring, der es immerhin leider wieder in den Bundesverkehrswegeplan geschafft – wenngleich nur unter „erweiterter Bedarf“ - und stellt dort zumindest mittelbare eine Konkurrenz zum Schienenausbau dar. Überspitzt: Bei der Wahl Nord-Zulauf oder Nordost-Ring kann es seitens der Regionalversammlung nur eine Antwort geben.

Es ist auch der falsche Ort an dem gebaut werden soll! Auch wenn ein Tunnel eine Verbesserung gegenüber der ursprünglichen Planung ist, erzeugt er immer noch erhebliche Zusatzbelastungen. Gerade in dem für die Naherholung wichtigen Bereich zwischen Kornwestheim und Zazenhausen soll auch bei der Tunnelvariante die Trasse oberirdisch bleiben. Folglich würde dort die Feldflur erheblich zerstört und der Verkehrslärm durch den Nordostring würde große Erholungsflächen belasten.

Der Ansatz der Planer, durch die Tunnellösung die wertvollen Ackerflächen zu schonen, ist ehrenhaft. Aber auch die Tunnelvariante zerstört dieses fruchtbare Bodengefüge!

Dementsprechend - und das hat der Faktencheck  auch gezeigt – stößt der der Nordost-Ring auf den Widerstand vieler Kommunen ...

Es ist auch die falsche Zeit für eine ernsthafte Diskussion!

Die ersten Ansätze dieses Ringes finden sich mit der Planung einer A 80/A 87 bzw. einer A 45 [Odenwald-Neckar-Alb-Autobahn] bereits in den 1960/70 – also bereits vor meiner Geburt! Diese Planung wurde aber bereits damals wieder verworfen …

Vielleicht hätte es in den 1980'ern noch eine Realisierungsmöglichkeit gegeben! Aber selbst damals hat es der Nordost-Ring NICHT in den aus dem Bundesverkehrswegeplan 1980 geschafft.

Und seither hat sich auch nicht mehr viel getan…
- mal wurde der Nordost-Ring (2003) als „Vorhaben mit festgestelltem hohen ökologischen Risiko“ heruntergestuft
- mal ganz herausgenommen und
- um aktuell in den neuen Bundesverkehrswegeplan 2030 im Status „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ wieder aufgenommen zu werden.

Der Bundesverkehrswegeplan ist jedoch weder Investitionsprogramm noch Finanzierungsplan. Das Geld ist bisher weder hinterlegt noch geplant. Selbst der Verkehrsminister rechnet nicht wirklich damit , alles umzusetzen. Denn mehr als die Hälfte der Investitionen für Aus- und Neubau des VB soll erst nach 2030 - also nach Ende der BVWP-Laufzeit - getätigt werden.
Die unzähligen Vorhaben des weiteren Bedarfs - ob mit oder ohne Planungsrecht - sind noch gar nicht eingerechnet. Aus einem Plan für 2030 wird so schnell ein Plan für 2045/2050 und darüber hinaus. Die Initiative Nordost-Ring kommt daher entweder 40 Jahre zu spät oder wäre vielleicht in 10-20 Jahren relevant …

Nicht eingerechnet ist auch die Tunnelvariante noch gar nicht eingepreist: Der Tunnel verteuert den Nordostring auf mindestens 1,2 Mrd. Euro [eher 1,5 Mrd. statt der 250 Mio. ohne Tunnel) … Wenn aber noch nicht einmal die laufenden Projekte und der vordringliche Bedarf finanziert werden können ist eine Diskussion hier und heute mehr als müßig!

Für uns ist er auch unzeitgemäß, da der Nordost-Ring - ob mit oder ohne Tunnel - die aktuellen Verkehrsprobleme auf gar keinen Fall lösen kann.

Und selbst wenn wir in naher Zukunft mal wieder eine paar Milliarden im Bundeshaushalt finden  sollten müssen diese in schnellere Bahnverbindungen (siehe TOP 3) oder in Datenautobahnen fließen und nicht in Schnellstraßen quer über den Acker?

Für wen sollte das baden-württembergische Verkehrsministerium eigentlich was planen ?
Denn bei knappen Ressourcen auch in den Planungsabteilung ist es doch wichtig, dass die realisierbaren und finanzierbaren Projekte im vordringlichen Bedarf umgesetzt werden können, dass beispielsweise die A?81 möglichst bald ausgebaut wird …

Viel wichtiger ist auch, dass beispielsweise die Planung für Expressbusse/Schnellbustrassen oder zusätzliche Zugverbindungen vorankommen … Beides löst die aktuellen Verkehrsprobleme der Region auch im Nordosten besser als der Nordost-Ring!

Der Nordostring war bzw. ist mittlerweile eigentlich nur noch als Chimäre zu verstehen. Oder wie es mein Fraktionskolleg Herr OB Kuhn formuliert hat „Der Nordostring ist ein Rückfall in den Kalten Krieg der Verkehrspolitik“

Der Nordost-Ring ist auch das falsche Mittel für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen.

Im Rahmen der Diskussion über Verkehrsplan der Region wurde deutlich, dass eine verkehrliche Entlastung von Stuttgart und für die Region nur erreicht wird, wenn neben dem Nordostring auch eine weitere Röhre unter dem Kappelberg und der so genannte „Lange Fildertunnel“ gebaut wird. Dies ist ist aber nicht einmal im Bundesverkehrswegeplan enthalten!

Weder wird der der hochbelastete Stuttgarter Innenstadt (Talkessel) tangiert, noch könne der Neckarübergang bei Remseck oder die Ortsdurchfahrt von Hegnach wesentlich entlastet werden.

Der Nordostring gibt auch keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft - im Gegenteil!  Übergeordnetes politisches Ziel muss es sein das Klima zu schonen! So hat letzten Mittwoch die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ein schnelleres Tempo beim Klimaschutz angemahnt und als Zwischenetappe eine Minderung um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 vorgeschlagen. Bis 2050 will die EU klimaneutral werden. Dazu gehört die Diskussion über den über unsere Verkehrspolitik …

Die verkehrlichen Auswirkungen auch eines unterirdischen Nordostrings wären genauso schlecht wie die eines oberirdischen. Der Nordost-Ring würde das Verkehrsaufkommen nördlich von Stuttgart stark ansteigen lassen und zieht zusätzlichen Fernverkehr als Ost-West-Verbindung zwischen Bayern und dem Rheintal an. Das heute schon verkehrlich stark belastete Remstal würde noch stärker belastet. Eine durch den Nordostring-Tunnel bedingte Verkehrsverlagerung von den Autobahnen in das Remstal und den Stuttgarter Norden würde die Verkehrsprobleme hier verschärfen. Denn selbst das Bundesverkehrsministerium geht von 63 Mio. zusätzlichen Fahrzeugkilometern je Jahr durch den Nordostring aus.

Somit wäre der in der Tunnel-Studie vorgelegte Entwurf kein Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Weder der der unterirdische noch der oberirdische Nordostring wäre kein Beitrag zur Luftreinhaltung und Klimaneutralität in der Region Stuttgart.

Und egal ob in naher Zukunft noch alternative Treibstoffe gefunden werden oder wann ein Verbot der der Verbrennungsmotoren nun kommt - 2035 (GB), 2040 (F) oder erst später …
Eine Ausrichtung auf die Herausforderungen der Zukunft und die Klimaziele wird unsere Mobilitätsverhalten ändern [müssen] und damit auch die Verkehrsplanung – und zwar weg von neuen Straßenbauprojekte!

Kurz: Wir lehnen den Nordost-Ring ob nun mit oder ohne Tunnel weiterhin ab!

Dieses Projekt aus dem letzten Jahrhundert ist weder mit den Klimazielen des Landes vereinbar noch mit dem Ziel der Landesregierung, die Flächenversiegelung zu verlangsamen. Zudem zerschneidet es einen wichtigen Naherholungsraum in unserer dichtbesiedelten Region.

Der Nordost-Ring
• zerstört die größte unzerschnittene Grünfläche im Großraum Stuttgart und bedroht wertvollen Lebensraum für viele, auch vom Aussterben bedrohte, Tier- und Pflanzenarten. [Nabu: Rebhuhn, der Steinkauz, der Halsbandschnäpper, die Schafstelze und die Feldlerche].
• vernichtet die besten landwirtschaftlich genutzen Flächen Böden Baden-Württembergs auf Jahre hinaus und verhinderte die regionale Versorgung
• löst keines der verkehrlichen Probleme sondern würde diese noch verschärfen
• und leistet schon gar keinen keinen Beitrag zur Klimaneutralität …

Und selbst unter den besten Bedingungen käme der Nordostring frühestens in 15-20 Jahren

Anstatt wie schon seit Jahrzehnten immer weiter eine „Phantom-Diskussion“ zu führen, sollten alle miteinander sich endlich über schnell umsetzbare Konzepte und „punktuelle Lösungen“ unterhalten!

Denkbar wären punktuelle Verbesserungen im Straßennetz
- eine Ortsumfahrung Hegnach
- die Westrandbrücke (neue Brücke zwischen Neckarrems und Neckargröningen)
aber vor allem auch attraktive Alternative  
- zusätzliche ÖPNV-Verbindungen, wie Expess-/Schnellbusse
- oder zusätzliche Linien in Ludwigsburg
- zusätzliche Verbindungen bei der „Schusterbahn“ die Reaktivierung Markgröningen –Ludwigsburg
- Radschnellwege
Zudem würde attraktives Angebot bei Bus und Bahnverbindungen erhebliche Verbesserungen auch für die Straße bringen bringen …  

Wir regen daher die Einrichtung eines Mobilitätspaktes Nordost an.
Wir bringen daher auch einen entsprechenden Antrag ein und bitten Sie schon heute um Ihre Unterstützung!

Hier wären die Planungskapazitäten richtig eingesetzt und unser aller Engagement erforderlich!